Diesen Wimpel hat er noch immer in seinem Fach im kleinen Büro in der Tribüne des Stadions Brühl gelagert. Der Scout von Arsenal London war damals da. «Überhaupt, die Scouts ganz vieler europäischer Mannschaften», sagt Hans Hübscher. Sie kamen, weil in Muri immer wieder U-Länderspiele stattfanden. Nicht nur einmal. Und nicht nur U-Auswahlen verschiedener Länder spielten in der Brühl gegeneinander. Auch die A-Nationalmannschaften der Frauen. Schweiz gegen Deutschland, im Oktober 1993. «Ich erinnere mich, dass das ZDF mit grossen Lastwagen kam, um das Spiel zu übertragen», sagt Hans Hübscher. Er ist eine der Ikonen beim FC Muri, spielte viele Jahre selber im Klub, engagierte sich über Jahrzehnte in verschiedenen Funktionen, von 1979 bis 1985 war er Präsident. Aktuell ist er im OK zu den 75-Jahr-Jubiläumsfeierlichkeiten für das Sportliche mitverantwortlich. Ganz stolz ist er auch darauf, dass Ciriaco Sforza in Muri sein Debüt im Dress einer Nachwuchs-Nationalmannschaft gab.
Dass Länderspiele vor gut 30 Jahren in Muri stattfinden konnten, hatte einen einfachen Grund: die Tribüne. 350 Sitzplätze fasst sie. «Wenn es sein muss, finden auch 500 Zuschauer Platz», sagt Hans Hübscher und lacht. 1989 war es, als das neue Stadion eingeweiht wurde. «Ein Bijou, wie man es in der Region sonst vergebens suchte.» Hübscher sass damals in der Baukommission. Den langen Weg bis zum neuen Stadion mit Tribüne hat er hautnah miterlebt. «Wir waren alle unglaublich stolz», erinnert er sich. Gerade auch, weil der Verein viel Eigenleistung investierte. Und wohl auch,weil der Weg oft steinig war.
Knapp drei Millionen Franken bewilligt
Dabei stand der FC mehrmals unter Zugzwang. Etwa als an der «Gmeind» 1984 das damalige Fussballareal in die Wohnzone aufgenommen wurde. Obwohl es heute noch nicht überbaut ist, musste sich der FC ein neues Zuhause suchen. Langatmig, zäh, aber stets fair seien sie gewesen, die damaligen Verhandlungen mit den Landbesitzern der Ziegelei. Ein Meilenstein folgte im November 1985, als der Souverän den Projektierungskredit billigte – für neue Fussballfelder und ein Betriebsgebäude. Ein Jahr später folgte das Ja zum Kredit von 2,95 Millionen Franken, inklusive 545 000 Franken als Anteil an ein Garderobengebäude. 346 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger kamen dafür an die «Gmeind». Nur 25 Gegenstimmen waren ein deutliches Zeichen für den Rückhalt, den der FC Muri in der Bevölkerung genoss.
Ein grosses Miteinander
Nichtsdestotrotz war der Neubau auch für den Verein eine grosse Nummer. Schliesslich mussten rund 450 000 Franken für das neue Garderobengebäude mit Tribüne und Clublokal selber finanziert werden. Hans Hübscher erinnert sich: «Wir waren ein tolles Team, haben alles dafür gegeben, dieses Ziel zu erreichen.» Einige sammelten bei Sponsoren Geld, andere setzten ihre handwerklichen Fähigkeiten ein, ohne dafür entlöhnt zu werden. «Es ging ein richtiger Ruck durch den Verein. Das Miteinander war beispiellos», sagt Hans Hübscher. Im Frühling 1987 setzte der Spatenstich den baulichen Startschuss. Das grosse Rohbaufest folgt im Juni 1988 – samt Idee, die die Finanzierung der Tribüne sicherstellte. Für je 300 Franken wurden die 350 Tribünensitzplätze symbolisch verkauft. «Damit war der Verein wieder schuldenfrei», betont Hans Hübscher.
Das ganz grosse Fest folgte ein Jahr später. Vier Tage dauerte es. GC – mit Ottmar Hitzfeld als Trainer – gegen Admira Wacker war der fussballerische Leckerbissen. Nöggi trat auf, die Rock ’n’Roll-Europa- und Vizeweltmeister ebenfalls. «Ein traumhaftes Stadion», titelte damals «Der Freischütz». «Dem stimmen wir auch heute noch zu», sagt Hübscher. Auch wenn es für Länderspiele längst zu klein ist. Erschwerend kommt der Kunstrasen auf dem Hauptfeld hinzu. «Für uns ist er Fluch und Segen in einem.» Segen, weil mit Ausnahme von Schneetagen immer darauf trainiert und gespielt werden kann. Fluch, weil er grosse Mannschaften davon abhält, für ein Gastspiel nach Muri zu kommen. «Zu gefährlich», sagen selbst Mannschaften, die ihre Meisterschaftsspiele auch auf Kunstrasen austragen. «Wir haben diesbezüglich in den letzten Jahren verschiedene Verhandlungen geführt, alle scheiterten daran.» Auch fürs grosse Jubiläum müssen die Organisatoren auf den Aufstieg des FC Aarau in die Super League hoffen, um einen Vertreter der höchsten Schweizer Liga dabei zu haben.
Geschichtsträchtige Holztribüne
Dennoch, die Infrastruktur des FC Muri entspricht nach wie vor den Bedürfnissen. Hie und da waren kleinere Sanierungen nötig. «Aber grundsätzlich sind wir zufrieden und fühlen uns wohl hier. Das Stadion und die Tribüne sind nach wie vor ein Bijou», findet Hans Hübscher. Und mit den zwei Aussen- und den Trainingsplätzen passt auch hier die Kapazität. «Wenn das Land, das damals in Wohnzone umgezont wurde, wirklich überbaut wird, dann könnte es wieder eng werden. Aber aktuell passt es gut.»
Der langjährige Funktionär blickt angesprochen auf die Infrastruktur des Vereins noch weiter zurück. «Da darf man die alte Holztribüne nicht vergessen.» 100 Menschen fanden darauf Platz. «Wenn alle zusammenrückten, waren es 150.» Gewackelt habe die Tribüne dabei nie, obwohl es eine «simple Holzkonstruktion» war. Von 1950 bis 1985 war das Feld südlich der heutigen Anlage die Heimat des FC Muri. Die Tribüne war gegen die Klosterseite ausgerichtet. «Wettertechnisch machte das wenig Sinn, aber der Hauptsponsor konnte so von zu Hause aus auf die Tribüne blicken.» Heute lacht Hans Hübscher darüber. Damals waren es die Gelder von Otto Wild, die den Bau der geschichtsträchtigen kleine Tribüne überhaupt erst ermöglichten. «Die Erinnerungen sind voller Nostalgie», sagt Hans Hübscher. Etwa daran, dass die «Hopp Muri»-Rufe immer lauter wurden, je dunkler der Abend. Die Zuschauer waren so nahe am Spielfeld, «dass 150 Leute den Spielern zuriefen, wie sie zu spielen hatten». Es sind schöne Erinnerungen, die Hübscher abgespeichert hat – an die Holztribüne, das Projekt des Neubaus, das grosse Eröffnungsfest, internationale Spiele seither. Und weitere werden ganz sicher folgen.
Text und Bild: Annemarie Keusch, der Freiämter