Eine Stunde ist gespielt, als Miguel Ferreira den 1:1-Ausgleich für den FC Muri erzielt. Er, der den verletzten Simone Parente als Captain vertritt, brüllt sich den Frust von der Seele, schlägt sich mit der Hand auf die Brust. Auf das Muri-Wappen. Auf das Herz. Umso mehr schmerzt es den Führungsspieler, dass seine Mannschaft am Ende wieder eine Klatsche kassiert. Nach dem 0:4 in der Cupqualifikation misslingt Muri auch der Rückrundenstart in der Meisterschaft. «Ich verstehe es nicht. Es ist schwierig, das Ganze direkt nach dem Spiel zu analysieren. Wir spielen gut mit und kassieren ein dummes Gegentor. Darauf können wir aber reagieren. Dann sollten wir eigentlich versuchen, den Sieg zu sichern. Stattdessen folgt so etwas.» Zwischen der 71. und der 93. Minute schlägt es noch viermal hinter Muri-Goalie Michael Wehrli ein. Rund 20 Minuten benötigen die Gäste, um den Klosterdörflern die nächste Kanterniederlage zuzufügen. «Neun Gegentore in zwei Spielen geht einfach nicht. So gewinnt man gar nichts», sagt Ferreira enttäuscht. «Wir müssen defensiv besser werden. Nicht nur die Abwehr, sondern die ganze Mannschaft muss besser verteidigen.»
Ähnlich sieht es Sportchef Alessio Passerini. Er hat den aus familiären Gründen abwesenden Trainer Luca Ferricchio vertreten. «Drei der fünf Gegentore fallen nach stehenden Bällen. In diesen Situationen hat uns viel zu oft die Konzentration gefehlt.» Tatsächlich fällt schon das 0:1 nach einem Konzentrationsfehler, wenn auch nicht nach stehendem Ball. Muris Eltion Shabani will nach 50 Minuten eine Situation klären und verfehlt dabei das Leder. Sein Gegenspieler holt sich das Spielgerät, bringt sich in eine gute Schussposition und zieht aus der Distanz ab. Der Ball setzt auf dem nassen Boden so auf, dass er für Wehrli nicht mehr zu halten ist. Das 1:2 fällt dann nach einem Freistoss für Cham II, wo die Murianer den Gegenspielern zu viel Platz lassen. Das 1:3 ist das Ergebnis einer schönen Kombination der Gäste über die rechte Seite. Auch da sieht die Freiämter Abwehr nicht besonders gut aus. Beim 1:4 wird Chams Flügelflitzer Twain Bachmann im Strafraum zu Fall gebracht. Die Leihgabe von Luzerns U21 hat während der ganzen Partie seine Klasse gezeigt und den Gastgebern immer wieder Probleme bereitet. In dieser Szene kann er bei seinem Dribbling nur noch mit einem Foul gestoppt werden. Bachmann verwandelte den Penalty anschliessend selbst. Das letzte Gegentor kassieren die Murianer nach einem Eckball, wo sie erneut den Gegenspielern zu viel Handlungsfreiheit im Strafraum gewähren. «Man muss auch sagen, dass Cham brutal effizient war.»
Das wenige Positive mitnehmen
Da die Mannschaft nach zahlreichen Niederlagen ohnehin schon verunsichert zu sein scheint, versucht Passerini, das wenige Gute hervorzuheben. «Ich habe ein Team gesehen, das 65 Minuten lang mithalten konnte. Das müssen wir mitnehmen, auch wenn das Ergebnis brutal ist. Dabei will ich nichts schönreden. Das Abwehrverhalten bei stehenden Bällen war absolut ungenügend.» Das war auch in der ersten Halbzeit zu sehen, wo Muri nach Eckbällen nur dank der mangelnden Effizienz der Gäste und einem starken Wehrli im Goal nicht in Rückstand geraten ist.
Zu diesem Zeitpunkt konnte das Heimteam die Partie immerhin noch ausgeglichen gestalten und selbst einige Chancen erspielen, wenn auch wenig zwingende. Je länger die Partie ging, desto stärker kippte sie aber zugunsten der Zuger.
Abwehrleistung muss besser werden
Die Rückrunde hat gerade erst begonnen. Noch bleiben dem FC Muri genug Spiele, um sich aus der Abstiegszone zu befreien. Lange warten kann das Team aber nicht mehr, um mit dem Punkten anzufangen. «Am nächsten Wochenende ist das Aargauer Derby gegen Rothrist. Wir fokussieren uns jetzt komplett darauf», sagt Passerini. Das Spiel ist auch das Duell zweier Mannschaften unter dem Strich. Ein Sieg ist für Muri dadurch ein Muss. «Es sind die Spiele gegen die direkten Konkurrenten, wo wir unbedingt siegen müssen.» Dafür muss sich das Team zumindest in der Defensive stabilisieren. Bei so vielen Gegentoren wird es ansonsten schwierig mit dem Klassenerhalt.
Ist das Kader zu dünn?
Luigi Milicaj droht als Nächstes auszufallen
Als Miguel Ferreira nach einer Stunde zum 1:1 trifft, ist die Muri-Welt noch in Ordnung. Die Freude über das Ausgleichstor wird aber nicht erst getrübt, als Cham zum Torfestival ansetzt. Noch während Ferreiras Jubel fällt auf, dass Luigi Milicaj, der die Aktion eingeleitet hat, anschliessend liegen geblieben ist. Nur mit grösster Mühe kann er vom Platz humpeln. Nach dem Spiel sagt er auf die Frage, ob alles okay ist: «Es fühlt sich nicht so an. Ich habe das Bein durchgestreckt und dann einen Schlag im Knie gespürt. Ich habe bisher noch nie solche Schmerzen gehabt.» Für ihn kommt der 21-jährige Leonit Rexhaj ins Spiel. Eigentlich ein Mann aus Muris zweiter Mannschaft, die in der 4. Liga spielt.
Im Verein hat man gesagt, dass man für die Rückrunde ein schmaleres Kader zur Verfügung hat, dafür mit mehr Qualität. Die Frage ist, ob nicht zu wenig Breite vorhanden ist bei den Klosterdörflern. Kurz bevor Milicaj ausgewechselt werden muss, bringt Ersatz-Trainer Passerini den ehemaligen Challenge-League-Spieler Lulzim Aliu für Fidan Tafa. «Blöd, dass sich Luigi gleich anschliessend verletzt. Aber Fidan war angeschlagen und konnte nicht alle Trainings der Woche absolvieren. Ihm ging langsam die Kraft aus.»
Abgesehen von diesem Wechsel hatte das Team nur sehr junge Spieler zur Verfügung. Später wurden noch Tom Singenberger (18) und Matteo Pitzalis (20) in die Partie geworfen. Auf der Bank wären noch Devin Weibel (18) und Dylan Bruggmann (16) gewesen. «Viel Routine können wir nicht ins Rennen werfen», stimmt Passerini zu. Ohne die Verletzten Simone Parente und Jan Burkard sowie Neuzugang Nino Markovic fehlen ausserdem jegliche Alternativen in der Abwehr. Obwohl Eltion Shabani nach seinem Aussetzer beim 0:1 verunsichert wirkte, hätte Passerini keine Wechsel in der Verteidigung vornehmen können, ohne das Team komplett umzustellen. Die Situation dürfte nicht einfacher werden, wenn Milicaj länger ausfallen sollte. «Wir hoffen darauf, dass Simone Parente und Jan Burkard bald wieder fit werden und wir dadurch mehr Optionen haben.»
Text und Bild: Josip Lasic, Der Freiämter