Start ins WM-Abenteuer
Julia Stierli an der Frauenfussball-WM
Am Freitag startet die Schweiz an die Frauenfussball-WM in Australien und Neuseeland. Gegen die Philippinen ist ein Sieg Pflicht, wenn man von einem Weiterkommen träumen will. Mit dabei ist Innenverteidigerin Julia Stierli. Die 26-jährige Murianerin hat in ihrer Karriere schon vieles erreicht. Sechs Mal feierte sie den Meistertitel und fünf Mal den Cupsieg (alles mit den FC-Zürich-Frauen). Im letzten Jahr war sie an der Europameisterschaft dabei. Und jetzt also an der WM. «Etwas Grösseres gibt es nicht. Für mich wird ein Traum wahr», sagt sie. Ihr Weg, der beim FC Muri einst angefangen hat, findet nun einen weiteren Höhepunkt. –spr
Frauenfussball, Weltmeisterschaft: Julia Stierli hat mit der Schweiz in Australien/Neuseeland hohe Ziele
Ein Traum wird wahr. Julia Stierli nimmt mit 26 Jahren an einer Weltmeisterschaft teil. Die Euphorie ist gross: «Ich muss mich selbst etwas bremsen», sagt sie lachend. Die Murianerin hat mit der Schweizer Nati hohe Ziele. «Es liegt einiges drin.»
Stefan Sprenger
Die Reise war lang. «Seeeeeehr lang», wie Julia Stierli lachend sagt. Doch sie und das Schweizer Frauen-Nationalteam sind angekommen in Neuseeland, am anderen Ende der Welt. «Ich konnte es erst so richtig glauben, dass ich tatsächlich an der WM dabei bin, als ich vor ein paar Tagen am Flughafen stand», sagt die Verteidigerin. Und dabei hat sie doch schon so vieles erlebt. Seit 2014 ist sie bei den FC-Zürich-Frauen, holte sechs Mal den Meistertitel und fünf Mal den Cupsieg. Und im letzten Jahr war sie an der Europameisterschaft dabei. Doch eine Weltmeisterschaft, das ist doch nochmals eine grössere Hausnummer. «Eine WM ist das Grösste, ein Traum, es war schon seit vielen Jahren mein Ziel», sagt Stierli, die beispielsweise auch den Terminplan ihres beruflichen Werdegangs zur Physiotherapeutin auf diese WM 2023 ausgelegt hat.
Um 7 Uhr Start gegen die Philippinen
Und jetzt ist es so weit. Am Freitag ist die Schweiz gegen die Philippinen der Favorit. Angepfiffen wird die Partie um 17 Uhr in Neuseeland, bei uns ist es dann 7 Uhr morgens. «Google» meint, die Schweiz hat eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 87 Prozent. Stierli sagt: «Wenn wir unsere Leistung zeigen, dann liegt viel drin. Wir haben eine coole Gruppe, wo ein Weiterkommen möglich ist. Es ist natürlich nicht einfach, aber auch alles andere als unmöglich, diese Gruppe zu überstehen.»
Nach den Philippinen geht es am Dienstag (25. Juli) gegen Norwegen und am Sonntag (30.Juli) gegen Gastgeber Neuseeland. «Die Hütte wird voll sein. An dieser WM ist für mich jedes Spiel ein Highlight, aber gegen den Gastgeber anzutreten, darauf freue ich mich riesig», sagt die 1,82 m grosse Innenverteidigerin.
Die Fussballfamilie Stierli
Im letzten Jahr war Stierli an der Europameisterschaft, jetzt an der Weltmeisterschaft. «Ganz ehrlich, ich muss mich etwas bremsen», sagt sie lachend. Denn es ist etwas ganz Besonderes für sie.
Wer hätte das gedacht, als Julia Stierli als kleines Kind jeden Tag mit ihrem Bruder im Garten in Muri Fussball spielte? «Ich sicher nicht», meint sie lachend. Mit acht Jahren durfte sie zum FC Muri. Die fussballverrückte Stierli-Familie unterstützt sie natürlich total. Schon ihr Vater und Onkel waren jahrelang Spieler des «Eis» des FC Muri. Und ihre Cousine Michelle Stierli ist ebenfalls auf höchstem Niveau im Frauenfussball der Schweiz, sie spielt bei den Frauen des FC Aarau. So verwundert es nicht, dass Julia Stierli ein Talent mitbringt. Beim FC Muri wird sie von den Trainern gefördert. «Ich konnte damals auch mit der Bubenmannschaft trainieren, davon habe ich sehr profitiert.» Als Jugendliche gelingt ihr die Aufnahme ins Ausbildungszentrum in Huttwil und sie trainiert mit den talentiertesten Fussballerinnen des Landes, geht parallel zur Schule, macht später das Sportgymnasium in Aarau und verteidigt fortan für den FC Aarau (wo sie im U14- und U15-Team ebenfalls mit den Jungs trainiert), «was nicht immer ganz einfach war», wie sie verrät. Schliesslich wechselt sie zu den Frauen des FC Aarau und 2014 zum FC Zürich, wo sie im vergangenen Jahrzehnt grosse Erfolge feierte – und gar in der Champions League spielte.
Ein Ferientag für sich
Die angehende Physiotherapeutin, die auf dem Feld als ausserordentlich ehrgeizig gilt, lebt für den Fussball. Im letzten halben Jahr hatte sie einen einzigen Ferientag eingezogen, der nicht für den Fussball gebraucht wurde. «Ich erlebe viel Support, vom Arbeitgeber, von der Familie und Freunden», sagt Stierli, die in Zürich eine Wohnung hat, aber dennoch wöchentlich in Muri zu Besuch ist.
Doch das ist jetzt alles weit, weit weg. Am anderen Ende der Welt. Stierli und die Frauennati sind in Neuseeland. Stierli hofft auf viel Einsatzzeit. Und die Hoffnung ist gross, denn beispielsweise beim letzten Testspiel vor der Abreise nach Neuseeland (0:0 gegen Marokko) stand sie 90Minuten auf dem Platz.
Jetzt ist sie vor allem eines: sehr gespannt. «So wie ich hörte, ist es ein sportbegeistertes Land, ich bin voller Vorfreude und gespannt, wie gross die Euphorie dann sein wird für die Frauenfussball-WM. Der erste Eindruck ist jedenfalls positiv.» Sie hofft, dass sie auch Australien besuchen darf. Damit es die Schweiz dorthin schafft, müssten sie in den Halbfinal vorstossen. «Schwierig, aber nicht unmöglich», sagt sie.
Küng ebenfalls an WM dabei
Neben Julia Stierli wird mit Schiedsrichterassistentin Susanne Küng eine weitere Freiämterin an der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland mit dabei sein. Die Merenschwanderin, die lange in Wohlen zu Hause war und Mitglied des FC Muri ist, hat bereits viel Erfahrung an grossen Turnieren sammeln können. An der Seite von Schiedsrichterin Esther Staubli leitete sie unter anderem den Final der Women’s Champions League 2014/15 und Spiele an der WM 2019 in Frankreich, Olympia 2021 in Tokio und der EM 2022 in England. Ausserdem leitet sie Spiele in der Super und der Challenge League. In Australien und Neuseeland wird sie eine von 19 Assistentinnen aus Europa sein.